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Interview

Meet The Artist: Jarrod Takle

Jarrod ist ein in Australien aufgewachsener und in Montréal lebender Zirkuskünstler, der derzeit als künstlerischer Co-Leiter und Ensemblemitglied des Kollektivs People Watching tätig ist. Mit einer besonderen Leidenschaft für die Schaffung von Werken aus einer interdisziplinären Perspektive verbindet er physisches Theater mit Bewegung und Akrobatik, um eine neue, viszerale Mischform des zeitgenössischen Zirkus zu schaffen.

Jarrod steht derzeit mit Play Dead auf der Bühne des Chamäleon und wir wollten in unserem Interview mehr über ihn und seine Arbeit erfahren – also let’s Meet The Artist!

Foto: Fred Gervais

Hi Jarrod. Du bist im April 2023 zu People Watching gestoßen, wie kam es dazu? Was ist besonders spannend für dich an der Arbeit in einem Kollektiv, das sich selbst organisiert?

People Watching besteht aus einigen meiner engsten Freund*innen, so dass schon immer der Wunsch bestand, mal in irgendeiner Form zusammenzuarbeiten. Ich glaube, der Grundstein wurde gelegt, als die Pandemie ausbrach und die anderen damit begonnen haben, gemeinsam in einem Loft in Montréal zu experimentieren – ich habe mich dann oft per Videoanruf aus meinem Lockdown in Australien dazu geschaltet und wir haben Ideen und Inspirationen ausgetauscht, für die Zeit, wenn die Welt wieder geöffnet wird. Der kollektive Ansatz entwickelte sich eher aus einer gemeinsamen Vision und gegenseitigem künstlerischen Respekt als aus einer bewussten Entscheidung, ein Kollektiv zu gründen. Es ist ein ganz besonderer Prozess zu sehen, was entsteht, wenn man sich mit Künstler*innen in einem Raum befindet, deren Ideen und Herangehensweisen einen selbst inspirieren.

Foto: Cecilia Martin

Du warst ja bereits auch schon in größeren Kompanien und bist jetzt Teil eines Kollektivs. Welche Unterschiede nimmst du am meisten wahr?

Die Verwaltung nimmt definitiv mehr Platz in meinem Leben ein, das Telefon und der Computer sind ständige Begleiter. Im Gegensatz dazu habe ich festgestellt, dass es mir jetzt, da die geschäftliche Seite so viel Zeit in Anspruch nimmt, noch mehr Freude bereitet, mir Zeit für das kreative Schaffen zu nehmen. Diese Erfahrung hat mir auch ein besseres Verständnis für alle beweglichen Teile einer Tour vermittelt und mir die Möglichkeit gegeben, die unterschiedlichsten Menschen (Moderatoren, Techniker, Frachtfahrer, Kostümassistenten usw.), die das Ganze möglich machen, kennenzulernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Welche Rolle nimmst du hinter der Bühne bei People Watching ein?

Ich konzentriere mich normalerweise auf das Schreiben von Förderanträgen und das Tour Management. Im Allgemeinen haben wir schon getrennte Rollen, aber es gibt auch ein gewisses Maß an Fluidität – oft leitet einer von uns eine Aufgabe, beispielsweise habe ich letztes Jahr den Umbau unseres Play Dead Sets mit einem französischen Bühnenbildner*innen-Team geleitet, um neben unserem bestehenden nordamerikanischen Set auch eine Version in Europa zu haben. Ich bin wirklich immer wieder von der Arbeitsmoral und dem Optimismus beeindruckt, den diese Gruppe in jeden Aspekt der Arbeit einbringt.

Foto: Amie Patching

Es ist schon sehr besonders, dass die Künstler*innen gleichzeitig die Koproduzent*innen sind. Welche Vorteile bzw. Chancen ergeben sich deiner Meinung nach aus dieser Arbeitsweise?

Kreative Freiheit! Als Regisseur*innen und Darsteller*innen können wir die Arbeit, die wir leisten, ständig hinterfragen, Änderungen vornehmen, wenn wir es für notwendig halten und unserem eigenen Instinkt und unserer Vision für die Kompanie folgen. Das ist für uns als Künstler*innen äußerst befriedigend.

Aufgrund dieser Kompaniestruktur ist es auch weniger wahrscheinlich, dass Entscheidungen zum Nachteil der Künstler*innen getroffen werden. Da wir ja meist selbst Teil der Szenen sind, würden wir keine Bedingungen auferlegen, die wir selbst nicht bereit sind zu akzeptieren.

Da wir eine relativ kleine Kompanie sind, in dem die Künstler*innen das Sagen haben, können wir bestimmte geschäftliche Aspekte (wie Medien und Marketing) direkt steuern, um den Stil und die Absicht hinter unserer Arbeit genauer zu vermitteln.

Foto: Fred Gervais

Gibt es auch Nachteile?

Es ist natürlich schon ein ordentliches Arbeitspensum, sich zum einen als Darsteller*innen zu behaupten und weiterzuentwickeln sowie auf der anderen Seite ein Kollektiv zu leiten, welches so ausgiebig tourt. Aber die Vorteile überwiegen bei weitem.

Die gemeinsamen Entscheidungen werden oft demokratisch getroffen, was manchmal etwas länger dauern kann, aber es gibt uns auch die Möglichkeit, die Arbeitslast unter diesen sehr fähigen Personen aufzuteilen, was sehr hilfreich ist (diese Gruppe kann richtig Gas geben!).

Würdest du ein paar deiner schönsten Erinnerungen aus der Zeit bei People Watching mit uns teilen?

Da gab es die nervenaufreibende Angst und Aufregung vor unseren ersten öffentlichen Aufführungen von Play Dead in Montréal sowie die ausgelassenen Zoom-Anrufe mit allen Mitgliedern in sechs verschiedenen Ländern und Zeitzonen, um die bevorstehenden Touren und Förderanträge zu koordinieren.

Ein weiterer Höhepunkt war die siebentägige Besessenheit der gesamten Gruppe von einem Achterbahnpark auf Tour in Groningen, den Niederlanden.

Was inspiriert dich im Allgemeinen?

Live-Auftritte, neue Städte entdecken, durch das australische Outback fahren, das tiefe Abtauchen im Internet um 3 Uhr morgens und die Bücher von Anne Carson, Joan Didion, Ocean Vuong, Milan Kundera, Ottessa Moshfegh und Patti Smith.

Foto: Brin Schoellkopf

Was machst du, wenn du nicht auf der Bühne stehst? Gibt es ein paar Hobbies, die du mit uns teilen würdest?

Ich komme aus einer Familie von Buchliebhaber*innen, daher habe ich schon immer viel gelesen. Ich versuche, wann immer ich kann der Stadt zu entfliehen, um zu wandern, Rad zu fahren oder zu schwimmen. Ich bemühe mich sehr, herauszufinden, wo auf der Welt gerade meine Freund*innen sind, damit ich sie während unserer Tour treffen kann. Außerdem bin ich in dieser Berlin Saison nach sieben Vorstellungen pro Woche süchtig nach der Sauna geworden.

Du hast ja schon einmal eine Saison im Chamäleon erlebt. Worauf hast du dich am meisten gefreut, wieder nach Berlin zu kommen?

Abgesehen davon, dass ich wieder mit diesem großartigen Team zusammen sein darf, das im Chamäleon arbeitet, habe ich die Galerien und Museen, den Flohmarkt im Mauerpark, den Kaffee bei Ben Rahim und die Sandwiches von Bahn Mi Stable vermisst.